POCUS Ultraschall: Notfallsonographie am Point Of Care

15. Dezember 2021

Inhaltsverzeichnis

POCUS steht für Point Of Care Ultraschall und ist vor allem in der Notfallmedizin weit verbreitet, teilweise jedoch auch in anderen Fachrichtungen. Diese Sonografiemethode kann ortsunabhängig angewandt werden und wird mit der umgangssprachlichen Bezeichnung “das Stethoskop der Zukunft” als disruptive Innovation wahrgenommen. Anwender der Notfallsonographie sind (im Gegensatz zu Radiologen oder Kardiologen) Generalisten und treffen zügig Entscheidungen bei dichotomen Ja/Nein-Fragestellungen.

POCUS Ultraschall am Point Of Care
POCUS Ultraschall kommt vor allem in der Notfallmedizin zum Einsatz und wird daher auch Notfallsonographie genannt.
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Was ist POCUS Ultraschall?

Häufig wird die Wortkombination POCUS Ultraschall verwendet, wobei POCUS an sich schon die Abkürzung für Point Of Care Ultraschall ist. Dieses Akronym steht für die ortsunabhängige Nutzung eines Ultraschallgerätes durch einen Arzt (meist Notfallmediziner) am Patienten zur zügigen Klärung von dichotomen Fragestellungen. Die Ultraschalluntersuchung wird direkt am Ort des Geschehens, also am Point Of Care, durchgeführt. Dies ist zugleich der größte Vorteil, da aus den vor Ort gewonnenen Diagnoseinformationen unverzüglich entsprechende Therapiemaßnahmen abgeleitet/umgesetzt und bei Bedarf an das nächste Krankenhaus übermittelt werden, sodass das dortige Personal sich auf den Notfall vorbereiten kann - ein Zeitvorteil, der Leben retten kann.

Der Point Of Care Ultraschall hat die zügige Beantwortung von medizinisch relevanten Ja/Nein-Fragen zum Ziel und ist nicht für umfassende Ultraschalluntersuchungen mit hoher Detailtiefe (Echokardiographie usw.) gedacht.

Auch unter dem Begriff “Notfallsonographie” bekannt, wird der POCUS Ultraschall zur Ultraschalldiagnostik, aber auch zur Verlaufskontrolle eingesetzt. Er wird sowohl stationär auf Intensivstationen, als auch präklinisch an einem Unfallort bzw. im Krankenwagen oder Rettungshubschrauber angewendet. Für den Einsatz außerhalb der Klink muss das POCUS Gerät tragbar sein und über einen integrierten Akku verfügen, sodass es ohne Stromnetzversorgung betrieben werden kann. Dies trifft entweder auf ein tragbares Ultraschallgerät oder einen Ultraschallscanner (Handheld) zu.

Info: In der Vergangenheit waren vor allem die Bezeichnungen “bettseitiger Ultraschall” oder “Ultraschall am Krankenbett” geläufig. Diese zielten auf die Immobilität des bettlägerigen Patienten ab und den praktischen Nutzen, dass solche Patienten nicht in die Kardiologie oder Radiologie transportiert werden müssen, um geschallt zu werden. Der umfassendere POCUS Ultraschall zielt hingegen auf die ortsunabhängige Ultraschalluntersuchung am Ort des Geschehens ab, also dass das Sonogerät zum Patienten transportiert werden kann, egal wo er sich befindet.

Anwendungszwecke

Der POCUS Ultraschall ermittelt den Gesundheitszustand sowohl von Notfallpatienten als auch von stabilen Patienten. Dank seiner Flexibilität wird er vielerorts angewendet, wie z. B.:

  • auf der Intensivstation zur Therapieüberwachung
  • in der Notaufnahme zum Ausschluss oder zur Einbeziehung schwerer pathologischer Befunde oder um Flüssigkeiten im Bauch- und Thoraxbereich bei Traumapatienten nachzuweisen
  • in einer präklinischen Umgebung (Unfallort, Krankenwagen, etc.)

Zwar hat das Stethoskop noch nicht ausgedient, doch das POCUS Gerät kann definitiv als Ergänzung der körperlichen Untersuchung verstanden werden. Da es einen tieferen Einblick in den Körper ermöglicht, wird es umgangssprachlich auch als “Stethoskop der Zukunft” oder die “POCUS Revolution” bezeichnet. Die Redewendung ist auf die kompakte Größe der Handheld-Ultraschallgeräte zurückzuführen, die einen Transport in der Kitteltasche problemlos möglich macht.

Die Notfallsonographie ist derzeit ein Trend im Rettungsdienst. POCUS Ultraschall kann insbesondere bei Atemnot, Reanimation, Trauma oder einem Schock hilfreich sein. Praktische Beispiele von POCUS Ultraschall in der Notfallmedizin sind folgende Protokolle/Methoden:

  • eFAST: focused assessment with sonography for trauma
  • BLUE: bedside lung ultrasound in emergency
  • RADiUS: rapid assessment of dyspnea with ultrasound
  • RUSH: rapid ultrasound in shock
  • FEEL: focused echocardiography in emergency life support for cardiac arrest
  • ACES: abdominal and cardiac evaluation with sonography in shock

Hinzu kommt auf Intensivstationen die Abdomensonographie (Bauchultraschall). Nicht selten suchen Patienten aufgrund von abdominellen Schmerzen die Notaufnahme auf. Ebenso wird POCUS Ultraschall am Bewegungsapparat (Fraktur/Fissur, Luxation, Erguss, Ruptur, Fremdkörper) angewandt.

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POCUS Ultraschall ist auch in der Allgemeinmedizin verbreitet, wenn auch nicht so stark, wie in der Notfallmedizin. Im Jahr 2014 betrug der Nutzungsanteil von POCUS in der Allgemeinmedizin laut dieser Expertenbefragung etwa 45 %. Als Hemmnis für den Einsatz wurden häufig Zeit- und Schulungsmangel sowie finanzielle Aspekte genannt. Heute dürfte der Verbreitungsgrad unter Hausärzten größer sein. Becken- und MSK-Ultraschall kommen in dieser Fachrichtung relativ häufig vor.

In der Sportmedizin nutzt man POCUS Ultraschall zur Untersuchung von Muskeln, Sehnen oder Bändern oder bei geführten Injektionen in die Wirbelsäule. Häufig kommt POCUS in Folge von Verletzungen auf dem Fußballfeld sowie Knöchel- oder Schulterbeschwerden vom Basketball oder Handball zum Einsatz. Ein Allgemeinarzt ist bei Sportverletzungen “nicht immer die richtige Anlaufstelle” , so Thomas Sokollik, Heilpraktiker mit Schwerpunkt Sportmedizin. Dieser sei nicht für Sportler geeignet, die schnell wieder in den Sport zurückkehren möchten. Außerdem: Während der Allgemeinmediziner bei chronischem Knieschmerz eine Kortisonspritze verabreichen würde, würde der Sportmediziner dies aus Gründen des Dopingverdachts nicht tun.

In der Gynäkologie nutzt man POCUS Ultraschall u. a. zur Lokalisation von empfängnisverhütenden Hormonimplantaten oder zur Überprüfung der Funktionsfähigkeit einer Intrauterinpessare (IUP). IUP-Fäden können wandern und u. U. eine empfängnisverhütende Wirkung verhindern. Dies ist für den Gynäkologen nicht immer erkennbar, sodass die POCUS Sono in diesem Fall Klarheit verschaffen kann.

Ebenso genutzt wird POCUS Ultraschall in der Anästhesie. Beispiel: eine Regionalanästhesie bzw. Nervenblockade zur Vorbereitung einer Knieoperation.

Vorteile

Insgesamt bescheinigt diese Auswertung von 19 Artikeln sowie 26 Metaanalysen und 168 Primärstudien zum klinischen Einsatz von POCUS Ultraschall dieser Bildgebung zahlreiche Vorteile. Diese Studie macht sich stark dafür, dass Point Of Care Ultraschall nicht nur in der Notfallmedizin, sondern auch in der Allgemeinmedizin stärker vertreten sein sollte. Ergänzend dazu attestiert diese Studie dem Point Of Care Ultraschall weitere Vorteile:

  • POCUS bietet eine präzise, ​​kostengünstige, schnelle, ortsunabhängige und nicht-invasive Diagnose ohne das Gesundheitsrisiko ionisierender Strahlung.
  • ebenbürtig mit anderen bildgebenden Verfahren, teilweise sogar besser
    • liefert bessere Leistung bei Rippenfrakturen, Schienbein- und Wadenbeinfrakturen, Pneumothorax, Lungenentzündung und bei Patienten mit pleuritischen Schmerzen als ein Röntgengerät (zumindest in genannter Studie)
    • bei der Identifizierung von Fremdkörpern und bei Schulterluxationen ähnliche Genauigkeit wie Röntgenaufnahmen
    • POCUS Ultraschall ist im Vergleich zur herkömmlichen Sonographie beim Screening auf ein Bauchaortenaneurysma gleichwertig und bei der Diagnose einer tiefen Venenthrombose ebenso genau.
    • POCUS bietet eine hohe Genauigkeit bei der Diagnose von Lungenentzündung/Dyspnoe und der Erkennung einer akuten dekompensierten Herzinsuffizienz, ist bei der Erkennung einer Lungenembolie jedoch weniger genau als die Computertomographie.
    • POCUS-Bestätigung einer intrauterinen Schwangerschaft schließt eine Eileiterschwangerschaft aus.
    • Im dritten Trimester von Hochrisikoschwangerschaften kann eine Dopplersonographie der Nabelarterie die perinatalen Ergebnisse verbessern.
    • Bei der Diagnose kompletter Risse der Rotatorenmanschette ist POCUS ebenso genau wie die Magnetresonanztomographie.
    • POCUS unterstützt bei der Platzierung von zentralen Venenkathetern und der Flüssigkeitsdrainage aus Körperhöhlen und Lumbalpunktionen
    • POCUS kann eine Gallenblasenpathologie genau diagnostizieren und ausschließen und ist wirksam bei der Diagnose von Urolithiasis.
    • POCUS kann auch zur Nadelführung eingesetzt werden.
  • POCUS kann in einigen Situationen die Zeit bis zur Diagnose und Entlassung verkürzen
  • Anzahl der Fehlbehandlungen werden verringert
  • unerlässlich bei Reanimationsprozessen einschließlich Hypothermie, Hypovolämie, Hämoperitoneum, Pneumothorax, Herztamponade und Lungenembolie
  • hilfreich bei schwierigem intravenösem Zugang
  • großer Nutzen im Katastrophenmanagement, bspw. bei der Feldtriage
  • Gesamtkosten können gesenkt werden
  • POCUS Geräte sind günstiger und mobiler als andere bildgebende Geräte
  • Patientendurchsatz kann erhöht werden
  • POCUS-Techniken sind relativ einfach und schnell zu erlernen
  • Medizinische Entscheidungen basieren nicht allein auf dem Ergebnis des bettseitigen Ultraschalls, da die Patienten auf Grundlage einer Befundkonstellation und nicht auf Grundlage eines einzigen Laborwertes behandelt werden
  • nicht notwendige, potenziell gesundheitsbelastende Patiententransporte können durch POCUS vermieden werden
  • in Kombination mit Tele-Ultraschall können Ultraschallbilder in peripheren Gebieten von einem Facharzt, welcher sich nicht in diesem Gebieten befindet, beurteilt werden

Der “an vorderster Front stehende” Notfallmediziner, der POCUS Ultraschall nutzt, kennt den gesamten Fall des Patienten, anders als ein extern zugeschalteter Radiologe oder Kardiologe. So können alle relevanten Informationen in den Behandlungsplan einfließen, ohne zeitliche Verzögerung.

Würde man POCUS Ultraschall stärker in die Allgemeinmedizin einbinden, dann wirkt dies kostensenkend im Vergleich mit der Sekundärversorgung. Es wird berichtet, dass durch eine solche Ultraschalluntersuchung in 65,6 % bzw. 32,1 % der Fälle keine weiteren Untersuchungen notwendig waren. Auch wären, zumindest laut einer norwegischen Studie, 83 % der Patienten bereit, einen Aufpreis für eine Ultraschalluntersuchung beim Hausarzt zu bezahlen.

In Deutschland droht eine Unterversorgung der alternden Bevölkerung in ländlichen Gebieten. Dies wird durch den demographischen Wandel, der Urbanisierung und dem Ärztemangel verursacht. POCUS Ultraschall kann diesen Missstand entgegenwirken. Zumindest unterzogen sich im Rahmen einer kleinen Studie in Nordwestbrandenburg 13 Haus- und/oder Palliativärzte einem Schulungsprogramm mit dem Vscan Extend, darunter 3 unerfahrene. Ein individuell angepasstes Schulungsprogramm ist geeignet, um ultraschallunerfahrenen Ärzten eine sichere Handhabung in POCUS zur Beantwortung einfacher klinischer Fragegestellungen zu ermöglichen.

Welche POCUS Geräte kommen zum Einsatz?

Exemplarische Auswahl an POCUS Geräten
Hersteller Produkt Gerätetyp
Philips Ultraschall Lumify Handheld
Clarius Ultraschall C3 HD3 (konvex) Handheld
L7 HD3 (linear) Handheld
L15 HD3 (linear) Handheld
GE Ultraschall Vscan Air Handheld
Venue Fit fahrbar und tragbar
Venue Go fahrbar und tragbar
Mindray Ultraschall ME8 fahrbar und tragbar
Philips Ultraschall CX50 POC fahrbar und tragbar
Sparq fahrbar
Youkey Medical D8 Handheld
Q7 Handheld

Die Hauptanforderung an ein POCUS Gerät ist die Mobilität, da es schließlich am Point Of Care eingesetzt wird. Der präklinische Ultraschall kann nicht mit einem herkömmlichen Standgerät durchgeführt werden, da diese Geräte nicht transportabel sind und nicht ohne weiteres ohne Anschluss an das Stromnetz betrieben werden können. Das Ultraschallgerät muss einen Akku besitzen sowie leicht, tragbar und mobil sein. Ein tragbares Ultraschallgerät oder ein Ultraschallscanner (Handheld) sind dazu bestens geeignet.

Ist mit dem Point Of Care die stationäre Notaufnahme oder die Intensivstation gemeint, dann kommen auch Ultraschallgeräte zum Einsatz, die nicht zwangsläufig tragbar, aber zumindest fahrbar sind. Nachfolgend eine exemplarische Auswahl an POCUS Geräten.

POCUS Ultraschall Kurse und Fortbildungen

Das American College of Emergency Medicine (ACEP) machte sich schon im Jahr 1990 stark für POCUS Ultraschall. In USA und Kanada ist man dahingehend schon weiter entwickelt, als in Europa. Man ist sich zwar sicher. dass die Point Of Care Sonographie in vielen europäischen Krankenhäusern eingesetzt wird, doch gibt es keine zentrale Instanz, die das überwacht. In Nordamerika ist die POCUS Ausbildung verpflichtend für alle Notfallmediziner. An diesen Fortbildungen nehmen auch Notfall-Teams aus Europa teil.

Notfallmediziner benötigen ein breiteres Wissen über die Sonographie, als ein Intensivmediziner. Während ein Intensivmediziner sich “lediglich” auf die Herz-, Thorax-, Bauch- und Venensonographie konzentriert, führt ein POCUS-Notfallmediziner Ultraschalluntersuchungen des Abdomens, der Geburtshilfe, der Hoden, des Bewegungsapparats oder des Auges durch. Dafür ist das Tiefenwissen eines generalistischen POCUS-Sonographen nicht so ausgeprägt, wie bei einem Spezialisten (Kardiologie usw.).

POCUS Ultraschall Kompetenzpyramide
Die POCUS Ultraschall Kompetenzpyramide | © Medizinio
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POCUS Fortbildungen können in Deutschland bspw. bei NAW in Berlin (620 €, 2 Tage, für Ärzte in der Akutversorgung von Patienten) oder im Kinderkrankenhaus St. Marien in Landshut (650 €, 3 Tage, für Notaufnahme, Neonatologie und pädiatrischen Intensivmedizin) absolviert werden absolviert. In München gibt es einen POCUS Kurs (699 €, ein Online-Kurs und ein 2-tägiger Präsenzkurs, für Rettungsdienst, Intensivstation, Rettungsanitäter usw.) von der Notfallakademie GmbH.

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