Digitalisierung in der Medizin & Medizintechnik

30. Juni 2021

Inhaltsverzeichnis

In der heutigen Zeit ist das Thema Digitalisierung in allen Bereichen ein gängiges Thema. Besonders durch die weltweite Corona-Pandemie mussten viele Unternehmen und Branchen innerhalb kürzester Zeit digitale Kompetenzen aufbauen, um in der Krise wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Digitalisierung macht auch in der Medizin Fortschritte und trifft trotz der zahlreichen Chancen für das Gesundheitswesen in Deutschland/ weltweit immer wieder auf Gegenwind. Medizintechnikmarkt hat als digitaler Partner für die Beschaffung von Medizintechnik mit zu einer Modernisierung der Medizinbranche beigetragen und fasst hier für Sie zusammen, wie es um das Thema derzeit steht. Dabei beleuchten wir sowohl Ziele der Digitalisierung und aktuelle Beispielprojekte, als auch die Risiken und Hürden, die sich dem Fortschritt in den Weg stellen.

Digitalisierung in der Medizin - Digitale Trends in Gesundheitswesen, Medizintechnik und Infos zu Digital Health
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Ziele der Digitalisierung in der Medizin als Lösungsansatz für Probleme des Gesundheitswesen

Die Entwicklungen der letzten Jahre zeigen, dass die Medizin in den Industrieländern einigen großen Problemen gegenübersteht, die sich bereits heute auf die Gesundheitsversorgung auswirken. Zum einen werden die Menschen immer älter, wodurch immer mehr Menschen behandelt werden müssen und die Zahl der krankheitsanfälligen Patienten stark zunehmen wird. Im Jahr 2010 gab es weltweit schätzungsweise 524 Millionen Menschen der Altersgruppe über 65 Jahre und dadurch ca. 8 % der Weltbevölkerung ausmachten. Bis 2050 wird diese Zahl sich wahrscheinlich verdreifachen und mit knapp 1,5 Milliarden Menschen 16 % der Weltbevölkerung entsprechen. Zum anderen steigt die Zahl der chronischen Erkrankungen die meist ein Leben lang in Behandlung sein müssen und dadurch einen laufenden Posten in der Gesundheitsversorgung darstellen. Letztlich gehört die medizinische Versorgung von strukturschwachen Gebieten auf dem Land ebenfalls zu den aktuellen Problemen. Patienten müssen häufig weite Wege und lange Wartezeiten in Kauf nehmen, um bei einem Spezialisten vorstellig zu werden und haben dabei nicht einmal eine Garantie, dass dieser ihnen auch wirklich helfen kann. In einer Vielzahl von Fällen müssen Patienten nach ihrem Termin an einen anderen Arzt überwiesen werden.

Die Digitalisierung soll diesen Problemen entgegenwirken und verfolgt dabei einige wichtige Ziele, die zu einem erfolgreichen und effizienten Gesundheitssystem beitragen sollen. Besonders gestärkt werden sollen dabei die folgenden Aspekte:

  • verbesserte Diagnose von Krankheiten
  • Vernetzung von Informationstechnik mit der Medizintechnik für effizientere Versorgung
  • automatisierte Gesundheitsdatenerfassung zur Erstellung, Verbesserung und Überwachung von persönlichen Behandlungsplänen
  • Ausbau von digitalen Kommunikationskanälen (e-Health) zur Vernetzung von Ärzten untereinander und Vereinfachung des Arzt-Patienten-Kontakts

Deutschland soll bei der Digitalisierung der Medizin als einer der wichtigsten Hersteller von Medizintechnik eine Führungsrolle übernehmen. Dafür hat die Bundesregierung ein Förderprogramm in die “Hightech-Strategie 2025” eingebettet, um die hauptsächlich klein- und mittelständischen Unternehmen der deutschen Medizintechnikbranche zu unterstützen. Wie die Online-Krankenversicherung Ottonova allerdings berichtet, ist Deutschland von dieser Position laut Untersuchung der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2018 noch weit entfernt und landet im Ergebnis lediglich auf Platz 16 der 17 untersuchten Länder. Die Bewertung wurde dabei anhand des Digital-Health-Index vorgenommen. Dieser basiert auf den folgenden Kriterien: Gesetzgebung und Staaten-Strategie für Digital Health, technische Einsatzbereitschaft und Alltagstauglichkeit, Vernetzung und Datenaustausch innerhalb des Gesundheitssystems. Angeführt wird das Feld von Estland auf Platz 1, Kanada auf Platz 2 und Dänemark auf Platz 3.

Die wichtigsten Trends der Digitalisierung in der Medizin

Um die oben genannten Ziele zu erreichen, setzen immer mehr Hersteller von Medizintechnik und auch branchenfremde Unternehmen auf eine handvoll vielversprechender Techniktrends. Die folgenden Daten beruhen auf einer aktuellen Studie aus dem Jahr 2020 von Clairfield International und der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Kooperation mit BVMed, VDMA Arbeitsgemeinschaft Medizintechnik und der Universität Stuttgart.

Künstliche Intelligenz und Big Data

Der Einsatz von lernfähigen Maschinen, also künstlicher Intelligenz (KI), soll Ärztinnen und Ärzten bei der Diagnose, Früherkennung und Behandlung unterstützen. Dabei werden sowohl finanzielle Daten zum Prozess, als auch medizinische Daten erfasst, sodass sich über ein ganzheitliches System die einzelnen Prozesse durch Nutzung von Big Data optimieren lassen. Besonders in der bildgebenden Diagnostik hält die künstliche Intelligenz bereits Einzug. Viele Hersteller von Ultraschallgeräten haben bereits einige KI-Funktionen in den neuen Gerätegenerationen verbaut und werben häufig mit Optimierung des Workflows durch automatisierte Einstellungen und Bildverbesserungen. Einige CT-Geräte verwenden KI zur Erkennung von Lungenkrebs und können die Diagnosesicherheit deutlich erhöhen. Ähnliches trifft auf die Brustkrebserkennung durch Aufnahmen aus MRT-Geräten zu, bei der Studien gezeigt haben, dass bereits jetzt die künstliche Intelligenz weniger Fehler macht als der Mensch. Durch die Kombination aus KI und Ärzten lassen sich Fehldiagnosen mit einer potentiellen Fehlerquote von 0,5 % fast komplett verhindern. Besonders erfolgreich wird KI derzeit in Kliniken eingesetzt, da über die meisten Krankenhausinformationssysteme (KIS) schon ökonomische und medizinische Daten erfasst werden.

Auch bei der Patientenüberwachung wird mehr auf künstliche Intelligenz und Big Data gesetzt werden. Eine automatisierte Datenerfassung medizinischer Daten und deren Auswertung durch KI kann zu optimierten Behandlungsplänen und besseren Therapieverläufe verhelfen. Dafür werden zunehmend mehr traditionelle Unternehmen aus der Medizintechnik mit Herstellern von “Smart Devices” zusammenarbeiten, da sich viele Daten durch sogenannte Wearables tracken lassen könnten.

Tipp: Mehr zu dem Thema KI in der Medizin können Sie in unserem Blogbeitrag “Künstliche Intelligenz - Die Zukunft der Medizin?” lesen.

Sensorik und mHealth - Digitalisierung durch implantierte Sensoren, Wearables und Gesundheitsapps

Die Erfassung von Patientendaten soll im Zuge der Digitalisierung der Medizin ebenfalls vereinfacht werden. Eine Chance dafür bieten die schon genannten Wearables. Damit sind Fitness-Tracker, Smart-Watches und ähnliche Geräte gemeint, die Gesundheitsdaten beim Tragen automatisch erfassen und verwerten. So könnte ein Teil der kardiologischen Daten, der normalerweise über ein EKG Gerät in der Praxis gemessen wird, im Alltag erfasst werden. Eine Studie zur Digitalisierung im Gesundheitswesen von pwc aus dem Jahr 2018 hat ergeben, dass sich Wearables zwar noch nicht vollständig in der deutschen Bevölkerung etabliert haben, diese sich aber auf dem Vormarsch befinden. Während 2018 im Schnitt erst 15 % der deutschen Wearables nutzten (bei den unter 30 Jährigen sogar knapp 30%), konnten sich bereits 43 % aller Deutschen vorstellen, diese in Zukunft zu nutzen. Im Fokus steht dabei das Monitoring von Puls- und Herzfrequenz, Fitnessdaten und von Aktivitäten.

Die nächste Stufe bilden “smarte” Implantate. Solche Implantate messen nicht nur unterschiedliche Werte und bioelektrische Signale, sondern reagieren direkt auf Veränderungen und greifen basierend auf den Ergebnissen in die biologischen Prozesse ein. Ein Beispiel dafür sind moderne Herzschrittmacher, die schon heute teilweise die Steuerung des Myokards übernimmt. Besonders anspruchsvoll ist bei dieser Art der Sensorik die Entwicklung von geeigneten Materialien für die Komponenten, um die sichere und präzise Nutzung zu ermöglichen.

Eine Schnittstelle für die erfassten Daten bieten digitale Gesundheits-Applikationen auf dem Smartphone oder anderen mobilen Geräten. Hierbei spricht man von “Mobile Health” oder kurz mHealth. Eine Studie von Deloitte und Bitkom zeigte, dass 42 % der Deutschen über eine solche App verfügen, von denen diese von ca. 40 % sogar täglich genutzt wird. Patienten mit chronischen Krankheiten können durch solche Applikationen Messgeräte für bspw. Blutzucker, Gewicht oder Bluthochdruck verbinden und so Ihren Alltag deutlich einfacher gestalten. Teilweise lässt sich dank mHealth ein digitaler Austausch mit behandelnden Ärzten herstellen, sodass Termine flexibel gestaltet werden können und überflüssige Besprechungen entfallen bzw. dringende Anpassung schnell und konkret vorgenommen werden können. Die Wichtigkeit von mHealth Applikationen hat während der  Corona-Pandemie weiter an Bedeutung gewonnen und vereinfachen zugleich Behandlungen über Distanz und den Umgang mit dem Virus.

Individuelle Medizinprodukte für Patienten dank Digitalisierung in der Medizintechnik

Die Erfassung und Verarbeitung von medizinischen Patientendaten ermöglicht die Produktion von individuellen Medizinprodukten, die genau auf die Anforderungen des Patienten abgestimmt werden. Eine der größten Chancen bietet dafür der 3D-Druck in der Medizin. In Kombination mit entsprechenden Materialien, die mitunter bereits über eine Biokompatibilität verfügen und sich dadurch für den Einsatz am und im Patienten eignen, können detaillierte Modelle, Prothesen und Gelenke gedruckt werden. Für die OP-Planung beispielsweise lassen sich Modelle drucken, die für die Planung oder Übung bestimmter  Handgriffe und Abläufe genutzt werden können, um die erfolgschancen zu steigern und wichtige Zeit zu sparen. Ebenfalls können schon Gelenke gedruckt werden und in Zukunft soll sogar der Druck von Transplantationsorganen möglich sein.

Besonders hilfreich ist die additive Fertigung schon jetzt in der Zahnmedizin. Mit einem Dental 3D-Drucker lassen sich aus den Aufnahmen eines Intraoral-Röntgengeräts oder DVT-Geräts über eine CAD/CAM Software Modelle, Brücken, Bohrschablonen und Aligner individuell anfertigen. Manch eine Zahnarztsoftware, spezieller gesagt eine Dentallabor-Software, verfügt zudem über ein integriertes Warenwirtschaftssystem. Werden Verbrauchsmaterialien knapp, dann warnt die Software automatisch oder bestellt eigenständig Materialien nach. Das spart Zeit, Geld und Arbeitsaufwand!

E-Health - Digitale Betreuung von Patienten durch Ärzte 

Das Thema E-Health fasst prinzipiell alle Arten von Versorgungskonzepten zusammen, die in den Bereichen Diagnostik, Behandlung und Rehabilitation eine digitale Kommunikation mit Ärzten fördern und dadurch nicht nur Patienten mit Ärzten verbinden, sondern auch Ärzte untereinander. Die bekanntesten Beispiele dafür sind zum einen die digitale Patientenakte und zum anderen das elektronische Rezept (E-Rezept). Dadurch können Distanzen einfach und schnell überbrückt und die Patientenversorgung optimiert werden. Mehrfache Untersuchungen sind nicht mehr in dem üblichen Umfang nötig, da Ärzte übergreifend alle Daten der Patientin/des Patienten digital in der elektronischen Patientenakte vorliegen haben und ihre eigenen Ergebnisse inkl. Bildern und Dateien dort hinterlegen können.

Ebenso fällt die Telemedizin in den Bereich E-Health. Die Videosprechstunde gehört mit zu den wichtigsten Tools der Telemedizin. Aufgrund der Herausforderungen durch das Corona-Virus hat diese in den letzten Monaten einen akuten Aufschwung erlebt und Anbieter wie Kry oder Fernarzt oder Teleclinic verzeichnen teils dreistelliges Wachstum. Mit der Videosprechstunde wird es Patienten ermöglicht, Ihren Arzt über eine Webcam zu kontaktieren und erste Einschätzungen zum Gesundheitszustand zu erhalten oder regelmäßige Therapietermine einfacher wahrzunehmen. Ebenso verfügen bereits einige tragbare Ultraschallgeräte über eine Telemedizin-Funktion. Mit dieser können bspw. Ultraschallbilder aus einem Rettungswagen direkt mit einem Arzt in der Klinik geteilt werden.

Online-Terminkalender für die Arztpraxis bieten einen zusätzlichen Kontaktkanal für Patienten. Zukünftig werden immer mehr Termine nicht mehr über das klassische Telefon, sondern im Internet mittels Software vereinbart. Derzeit werden viele Online-Terminplaner von externen Anbietern entwickelt und nicht von den PVS-Herstellern selbst. Aus diesem Grund verfügen diese Tools im Optimalfall über eine Schnittstelle zum Praxisverwaltungssystem, damit offline und online vereinbarte Termine miteinander synchronisiert werden. Dies verhindert Terminüberschneidungen oder Doppeltermine.

Digitalisierung im OP: Robotik und bessere Vernetzung 

Im Bereiche der Operationen bietet die Digitalisierung besonders in der Medizintechnik enormes potential. Zum einen sind heute schon zukunftsweisende OP-Roboter auf dem Markt, die eine extrem hohe Präzision während der OP bei gleichzeitig minimaler Invasion gewährleisten. Dabei agieren diese allerdings nicht selbstständig, sondern werden von den operierenden Ärzten gesteuert und fungieren somit als Werkzeug. Ein Beispiel ist der DaVinci Xi-Roboter, der die Hand- und Fingerbewegungen des Arztes auf die Instrumente der Roboterarme überträgt. Der Arzt navigiert diese bei 10-facher Vergrößerung innerhalb einer hochauflösenden 3D-Live-Aufnahme des Patienten und kann durch KI-gestützte Systeme bspw. gesundes Gewebe erkennen und somit mit absoluter Präzision operieren.

Darüber hinaus wird es für Hersteller von Medizingeräten immer wichtiger, sich nicht nur mit der Entwicklung der Hardware zu beschäftigen, sondern ebenfalls an Softwarelösungen zu arbeiten, die sich sowohl mit den eigenen Geräten verbinden können, als auch offene Schnittstellen für Fremdgeräte bieten, um damit eine höhere Vernetzung der OP-Instrumente und Technik zu erzielen. Dadurch ist ein Zusammenspiel der einzelnen Technologien möglich, was zu einem besseren Operationssystem führen wird. Eine schnelle und fähige IT-Struktur ist allerdings eine Grundvoraussetzung für die Funktionalität solcher Technologien.

Hindernisse und Probleme der Digitalisierung in der Medizin

Neben all den Chancen der Digitalisierung in der Medizin, den Förderungen und aktuellen Projekten und Entwicklungen gibt es allerdings auch einige Schwierigkeiten und Hindernisse, die das Voranschreiten von digitalen Lösungen und Medizinprodukten behindern. Dabei spielen unterschiedliche Faktoren eine Rolle, sodass man nicht klar sagen, dass ein bestimmter Punkt für den teilweise sehr langsamen oder stagnierenden Fortschritt verantwortlich ist. Wir haben hier eine Übersicht erstellt, welche die wichtigsten Problematiken näher beleuchten soll.

Neues Medizinproduktegesetz erschwert Zulassungen

Nachdem im Mai 2017 die neue Medizinprodukteverordnung (auch MDR genannt) verabschiedet wurde, räumte die EU den herstellenden Unternehmen von Medizinprodukten eine Übergangsperiode bis Mai 2020 ein, die aufgrund der Corona-Krise auf Mai 2021 verlängert wurde, um sich den neuen Regelungen anzupassen und entsprechende Maßnahmen vorzunehmen. Die neuen Vorgaben machen es Herstellern schwerer, neue Medizingeräte und Technologien auf den Markt zu bringen. Die Erhebung von klinischen Daten und die verpflichtende Nachverfolgung von Medizingeräten tragen maßgeblich zu der Erschwerung bei. Hinzu kommt, dass die geplante Datenbank EUDAMED voraussichtlich erst im Juni 2022 in vollem Umfang zur Verfügung stehen wird und somit für den Überbrückungszeitraum umständlich über mehrere Komponenten hinweg dezentral gearbeitet werden muss. Dazu kommt die Tatsache, dass Medizinprodukte der Klassen III (hohes Risiko) und IIB (erhöhtes Risiko) zukünftig noch weiteren Auflagen gerecht werden müssen und sich dadurch Hersteller von Geräten dieser Gruppen (bspw. von chirurgischen Lasern, Herzschrittmachern, Gelenkprothesen, Dialysatoren und ähnlichen Produkten) auf noch unbekannte Veränderungen einstellen müssen.

Info: Mehr Informationen zu den Reformen im Medizinproduktegesetz finden Sie in unserem Artikel “Die neue EU-Medizinprodukteverordnung (MDR) für Deutschland”.

Hohe Investitionskosten für neue Technologien

Der Großteil der Medizintechnik Branche setzt sich in Deutschland aus kleinen und mittelständischen Unternehmen zusammen, weltweit sind es sogar 95 % laut der Ergebnisse der Luther Studie. Um neue Technologien zu entwickeln, müssen Unternehmen für den sehr zeitaufwendigen Prozess 16 % Ihres Umsatzes in die Forschung und Entwicklung investieren und aufgrund der hohen Ansprüche durch deutsche Regularien weitere 9 % in die Regulatorik. Mit einem Anteil von 25 % des Umsatzes fordern Innovationen daher ein hohes Investment, was neben der hohen Kosten ebenfalls mit den Risiken der Entwicklung eine große finanzielle Hürde darstellt. Der wachsende Preisdruck innerhalb der Branche durch Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen, die Privatisierung von Kliniken und die Konkurrenz von asiatischen Herstellern bei gleichzeitig hohen Entwicklungskosten sorgen dafür, dass die Voraussetzungen für die Entwicklung neuer Technologien, die zur Digitalisierung beitragen, in Deutschland suboptimal ausfallen.

Datenschutz und Cybersicherheit

Mit der zunehmend digitalen Verarbeitung von Patientendaten gehen neue Richtlinien im Bereich Datenschutz und Cybersicherheit einher, da diese Daten äußerst sensibel sind und dementsprechend als besonders schützenswert betrachtet werden. Hersteller von Medizintechnik und Software Lösungen müssen daher moderne Standards für Datenschnittstellen verwenden und sicherstellen, dass eine sichere und datenschutzfreundliche Verarbeitung der Daten sichergestellt werden kann. Letztendlich müssen Arztpraxen und Kliniken diesen Schritt mitgehen und besonders im Rahmen der Digitalisierung im Gesundheitswesen die nötigen Datenschutzmaßnahmen implementieren und einhalten. Das gilt sowohl für organisatorische Abläufe, als auch für die technischen Maßnahmen. Verstöße gegen den Datenschutz in der Arztpraxis werden ansonsten mit hohen Bußgeldern belegt. Können die Hersteller mit ihren Lösungen keine datenschutzkonforme Datenverarbeitung gewährleisten, besteht ein großer Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Mitbewerbern mit sicheren Geräten und Funktionen im Bereich Digitalisierung. 

Tipp: Die Schäden bei einem Cyberangriff können schnell hohe Summen im sechsstelligen Bereich annehmen. Mit einer Cyberschutzversicherung für die Arztpraxis können sich Ärztinnen und Ärzte gegen diese Schäden absichern.

Erfolgreiche Projekte der Digitalisierung in der Medizin

Um die Digitalisierung in der Medizin voranzutreiben und den deutschen Medizintechnikunternehmen zu einer führenden Rolle zu verhelfen, hat die Bundesregierung ein Förderprogramm für Digitalisierungsprojekte ins Leben gerufen. Dank der Fördersummen konnten mittlerweile bereits einige Projekte realisiert und viele weitere mindestens angestoßen werden. Hier stellen wir einige Beispielprojekte aus verschiedenen Richtungen der Medizin vor, um die bisherigen Erfolge der Digitalisierung aufzuzeigen. 

Aneurysma-Früherkennung beim Hausarzt dank Digitalisierung 

Mit dem Projekt CardioInBaMed soll bei Risikopatienten ein Aneurysma der Hauptschlagader frühzeitig erkannt werden. Ein solches Aneurysma derzeit meistens ein Zufallsbefund und macht sich durch eine sackartige Ausweitung der Aorta im Bauch- oder Brustbereich bemerkbar. Patienten fällt diese in der Regel nicht weiter auf. Mit dem neuen System konnten in der dreijährigen Projektphase bereits signifikante Ergebnisse erzielt werden. Dabei werden über die Hände und Füße Pulskurven gemessen, die anschließend mittels des entwickelten Algorithmus ausgewertet werden und zu einer individuellen Wahrscheinlichkeitsprognose zum Vorliegen eines Aortenaneurysmas führen. Gegen Ende der Studie lag die Genauigkeit des Ergebnisses im Bauchraum bei ca. 75 %, im Brustbereich zwischen 60 % und 80 %. Die Forschung und Entwicklung war dem mittelständischen Unternehmen Löwenstein Medical Technology nur dank der Fördersumme des BMBF von mehr als 680.000 € möglich. Nun wird an einer marktreifen Lösung gearbeitet, die als Medizinprodukt zertifiziert und einsatzbereit ist.

KI-System verbessert die Überwachung von Krebstherapien 

Das Projekt PANTHER soll zukünftig durch ein KI-System zu einer schnelleren Analyse zur Wirksamkeit von Krebstherapien anhand von CT-Bilder führen. Auf Basis von bestehenden CT-Bildern und Laborwerten konnte ein Deep-Learning-Algorithmus entwickelt werden, der nicht nur die reine Größe des Tumors, sondern auch die Gewebestruktur und Veränderung des in der Zusammensetzung des Tumors beurteilt. Diese Daten werden dann von einem zweiten Algorithmus genutzt, der eine wahrscheinliche Überlebensdauer in Jahren errechnet und somit Auskunft gibt, wie erfolgreich die Therapie anschlägt. Um das Deep-Learning zu fördern und den Algorithmus noch weiter reifen zu lassen, werden weitere klinische Daten benötigt, die durch CT-Geräte des projektleitenden Unternehmens Siemens Healthcare gewonnen werden sollen. Diese werden über ein Cloud-System verbunden und ermöglichen die automatische Bildanalyse nach dem Hochladen der Aufnahmen, die wiederum zur Verbesserung des Algorithmus genutzt werden. 

Verbesserte Ergebnisse dank Digitalisierung beim Einsatz von Cochlea-Implantaten 

Der Einsatz von Cochlea-Implantaten stellt aufgrund der individuellen Hörprofile und Anforderungen eine große Herausforderung in der HNO-Chirurgie dar. Diese Implantate sollen die Schwerhörigkeit im Innenohr reduzieren. Dafür muss der Hörnerv über Elektroden künstlich gereizt werden. Die Positionierung eines Cochlea-Implantats spielt dabei eine entscheidende Rolle für den Erfolg und ist aufgrund der unterschiedlichen Längen der Hörschnecke nicht standardisierbar. Die Software aus dem my-CI-Projekt soll Ärztinnen und Ärzte bei dem Einsatz unterstützen. Als Grundlage dienen CT-Aufnahmen, anhand derer die Größe der Hörschnecke gemessen wird. Ein Algorithmus wertet anschließend das Hörprofil des Patienten aus und kombiniert die Daten zu einer Empfehlung. Zusätzlich werden pseudonyme Patientenprofile herangezogen, um die Prognosen mit echten Gesundheitsdaten abzugleichen und zu untermauern, um so die Präzision noch weiter zu erhöhen. Dadurch kann die beste Elektrode für den Patienten gefunden werden und so das Restgehör optimal geschützt werden. 

Fazit - Digitalisierung in der Medizin 

Die Digitalisierung in der Medizintechnik bietet viele Chancen für bessere Diagnosen, Behandlungspläne und Erfolgschancen bei Operationen. Bereits jetzt steht Ärztinnen und Ärzten eine Palette von digitalen Tools zur Verfügung und weitere vielversprechende Projekte befinden sich in der Entwicklung. Die Themenblöcke e-Health und digital Health halten immer weiter Einzug in unseren Alltag und werden sich noch über e-Rezept und Videosprechstunde hinaus entwickeln. Auf der anderen Seite stehen rechtliche Hürden und ungeklärte Haftungssituationen im Raum, die dringend geklärt werden müssen und auch in naher Zukunft noch eine Hürde für neue Technologien darstellen werden. Ebenso wächst der Druck auf den Mittelstand, der die Medizintechnikbranche prägt. Die Dominanz der Großkonzerne, wachsende Konkurrenz aus Asien und Preisdruck machen kleinen und mittelständischen Unternehmen zu schaffen. Besonders die hohen Investitionskosten für die Forschung und Entwicklung sorgen vor diesem Hintergrund für eine langsame Entwicklung in Richtung Digitalisierung der Medizintechnik. Um in Zukunft konkurrenzfähig zu bleiben und nicht von anderen Ländern abgehängt zu werden, müssen deutsche Unternehmen massiv in Software investieren, damit die aktuellen und zukünftig immer wichtigeren Themen wie künstliche Intelligenz, Big-Data und Deep Learning nicht verschlafen werden.

Digitalisierung in der Medizin - Kritik am DVPMG

Während in der Entwicklung neuer Technologien bereits einige Hürden und Probleme bestehen, haben auch Ärztinnen und Ärzte Probleme in der Gesetzgebung angesprochen, die eine auf eine zeitnahe Integration von digitalen Dienstleistungen und Produkten in den Praxis-Alltag vorsieht. Am deutschen Ärztetag 2021 sprachen sich die deutschen Ärzte klar gegen den zum Tagungszeitpunkt aktuellen Entwurf des Digitalen-Versorgungs-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetzes (DVPMG) aus, da die dort geforderten Fristen für die Integration von digitalen Prozessen wie dem elektronischen Rezept (E-Rezept) und der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) nicht realistisch einzuhalten seien. Aufgrund der knapp gesetzten Fristen würde auf adäquate Testphasen und Aspekte der Patientensicherheit verzichtet werden müssen, um den geplanten Zeiträumen gerecht zu werden. Ebenso würden die geplanten Sanktionen bei einer nicht rechtzeitig erfolgten Einbindung der digitalen Services zusätzlich für Druck im Gesundheitswesen sorgen, der überstürztes Handeln aus Angst vor finanziellen Strafen stärken würde. Damit sei weder Patienten noch Versorgern geholfen. Die Ärzteschaft fordert daher erweiterte Fristen für die Umsetzung der geplanten Vorgaben.

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